Sächsiche Zeitung, KULTUR – Zwischen Natur und Sagenwelt

Veröffentlicht in: Allgemein, Sächsische Zeitung
Tags:

Autor Harald Linstädt mit Lesung aus seinem Buch „Olba, du…“ in der Kulturmühle Bischheim, von Annett Kschieschan

Der Zauber einer Blumenwiese, der verführerische Duft der einfachen Hollersuppe, das emsige Tun der Waldameise. Harald Linstädt hat das seltene Gefühl für Zwischentöne: in seinen Kleingeschichten, wie sie der Autor selbst nennt, legt er den Fokus auf scheinbar Nebensächliches, Banales; alltägliches: Er rückt in den Mittelpunkt, was oft genug dem Blick fürs „große Ganze“ geopfert wird. Am Sonnabendabend las er in der Bischheimer Kulturmühle aus seinem Buch „Olba, du…“ Das Büchlein ist ein Sammelsurium eben jener in Worten und Sätzen festgehaltenen Momentaufnahmen.

Und es ist gleichsam eine Liebeserklärung an Ober- und Niederlausitz, Harald Linstädt pendelt zwischen Bautzen und dem brandenburgischen Groß Leuthen. Seine Geschichten spiegeln die Schönheit und Eigentümlichkeit jener Landschäft wider. So bekundet Linstädt in der Titelgeschichte seine Zuneigung zum Olbasee bei Kleinsaubernitz am nördlichen Zipfel des Landkreises Bautzen und fragt darin gleichsam selbstkritisch, ob man denn einen See, einen Fluss, einen Baum überhaupt lieben könne. Harald Linstädt kann es.

Reise durch den Jahreskreis

Der 48-Jährige schreibt seit seiner Jugend für Kinder und Erwachsene. Zehn Einzeltitel hat er bisher veröffentlicht; darunter „Lutken Wassermann und Mittagsfrau“ und „Storchenhofiges“. Seit anderthalb Jahren versucht sich der Vater zweier Kinder und ehemalige Flugzeugführer als freier Autor. Seine Geschichten, manche nur sechs Zeilen lang, suchen in der Natur auch immer wieder den Bezug zur Lausitzer Sagenwelt. So ist eine davon der Mittagsfrau gewidmet, die zwischen zwölf und eins durch die Dörfer streift und jene straft, die diese Zeit nicht zum Ausruhen,. sondern zur Arbeit auf den Feldern nutzen.

Linstädt findet gleichsam den Weg von der Natur zur Historie; zum Beispiel indem er die Herkunft der zahlreichen Napoleoneichen in den Dörfern der Lausitz hinterfragt und dabei zu dem Schluss kommt: „Lieber eine Menge Napoleonbäume und mehr, als nochmals einen Napoleon“ Das reichlich 50 Seiten dünne Büchlein nimmt den Leser mit auf eine Reise durch den Jahreskreis: Es führt ihn durch die wärmenden Strahlen des Frühlingssonne, zum „Sommersterben“ und ins alles verhüllende Weiß des Winters. Die Illustrationen zu den Geschichten stammen allesamt von Schülern des Städtischen Gymnasiums in Bautzen.

Harald Linstädt bot den Zuhörern in der Kulturmühle zwei nachdenkliche und unterhaltsame Stunden den bei sanften Vivaldi-Klängen. Kerzenlicht und dem Geräusch des Windes, der um die alte Mühle pfiff. Dass nur eine Hand voll Gäste den Weg nach Bischheim gefunden hatte, nahm er gelassen und ließ es die, die gekommen waren; nie spüren. „Besser ein kleiner Rahmen als gar keiner“, so der knappe Kommentar des Autors, der an diesem Abend 130 Kilometer zurückgelegt hatte um aus seinem Buch zu lesen. Er hat schließlich gelernt, im Kleinen das Große zu sehen. Ganz im Sinne des Rilke-Wortes das er an den Anfang der Lektüre von „Olba, du…“ gestellt hat: „Die meisten Menschen wissen gar nicht, wie schön die Welt ist und wie viel Pracht in den kleinsten Dingen, in irgendeiner Blume, einem Stein; einer Baumrinde oder einem Birkenblatt sich offenbart.“

Harald Linstädt, Olba, du…“, erschienen

im Verlag Lions Club Bautzen 1998 Preis: 7,40 €

Change this in Theme Options
Change this in Theme Options